WallStreetBets: Lust zu zocken?

WallStreetBets: Lust zu zocken?

Markus Fugmann

Artikel

vom

27.2.21

Es passiert nicht oft, dass das Geschehen an den Aktienmärkten zu einer Untersuchung im US-Kongreß führt – aber die Turbulenzen um die Aktie von GameStop, die nur deshalb möglich waren, weil sich junge Trader im Reddit-Forum WallStreetBets verabredet hatten, sind zu einem Politikum geworden. Und es geht dabei um viel: erstens um die Frage, ob das, was da passiert ist – nämlich eine fundamental weitgehend wertlose Aktie in den Himmel zu zocken – nicht eine Art „frontrunning“ darstellt und somit Manipulation ist. Einer der zentralen Figuren im Forum WallStreetBets, bekannt unter dem Pseudonym „Roaring Kitty“, sieht sich nun jedenfalls einer Anklage ausgesetzt (hier dazu mehr: https://finanzmarktwelt.de/wallstreetbets-anklage-gegen-roaring-kitty-sprecht-ihn-frei-191639/).

Klein gegen groß, David gegen Goliath – das hat natürlich Charme. Da versammelt sich ein Schwarm meist eher unerfahrener Jung-Trader und bringt Hedgefonds in Schwierigkeiten, die auf einen Fall der Aktie von GameStop gewettet hatten. Das war eine Attacke auf die Etablierten an der Wall Street – und die Attackierten nahmen das sehr ernst: Absicherungen durch Put-Optionen schossen auf Niveaus, die wir zuletzt in der Panik des Corona-Crash im März 2020 gesehen hatten. Man fürchtete das Kippen von Hedgefonds, dem dann ein Dominoeffekt folgt wie einst in der Finanzkrise: wer hat welche Risiken, wer könnte bald über den Jordan gehen?

Es ist dann aber doch anders gekommen: die betroffenen Hedgefonds konnten ihren Kopf aus der Schlinge ziehen – aber geblieben ist viel böses Blut: die Jung-Trader auf WallStreetBets vermuten eine Verschwörung der Etablierten zur Rettung der Hedgefonds, weil Neobroker wie Robinhood den Kauf der GameStop-Aktie zwischenzeitlich ganz aussetzten bzw. limitierten.

Die Realität sah ein bißchen anders aus: die letztlich die End-Haftung übernehmenden Clearinghäuser hatten von Robinhood den Einschuß neuer Sicherheiten (collateral) verlangt, weil die extremen Kursbewegungen eben auch die Risiken für die verschiedenen beteiligten Parteien massiv erhöhten. Daher mußte Robinhood den Kauf der Aktien aussetzen bzw. limitieren. Es handelte sich also um eine Mechanik an der Börse, die den jungen Wilden jedoch nicht bekannt war (und ist) – und genau hier liegt auch das Problem!

Quelle: Dilbert by Scott Adams, United Syndicate Inc.

WallStreetBets und das Zocken

Denn wer mitzocken möchte bei den im Forum WallStreetBets gehypten Aktien, der sollte eben diese Mechanismen besser kennen. Bei dem Zock um GameStop oder andere „Meme-Aktien“ wie AMC hat ziemlich sicher die Mehrheit wieder einmal Geld verloren – und der Grund dafür ist einfach: man beachtete wichtige Lehren nicht, sondern setzte auf eher ideologisch motivierte Parolen wie „hold the line“. Halte die Linie (gegen die Hedgefonds) , verkaufe nicht, so das Mantra – und das ist an der Börse besonders dann eine schlechte Idee, wenn die gehypten Aktien so gut wie keine Substanz aufweisen (wie im Fall GameStop). Wer also mitzocken möchte, der sollte sich von Ideologie frei machen und sich darüber im Klaren sein, dass es sich eben um Zocken handelt!

Und das Zocken hat andere Gesetze als das Investieren: während investieren eine Investition in eine eher langfristige Zukunftserwartung ist, handelt es sich beim zocken letztlich darum, dass Andere kurzfristig bereit sind, noch höhere Preise zu bezahlen als man selbst (greater fool-Theorie). Es geht also um eine sehr kurzfristige Gewinnerwartung. Böse Zungen würden sagen: man wettet darauf, dass andere in einem von Gier getriebenen Hype so idiotisch sind, noch höhere Preise zu bezahlen als man selbst.

Beim Zocken ist daher das Risikomanagement das A und O: wer eine GameStop-Aktie über 400 Dollar gekauft hat und nun bei einem Stand von unter 50 Dollar „aufwacht“, der muß realisieren, dass da etwas falsch gelaufen ist. Daher sollte man bei solchen Zockereien immer mit stop loss arbeiten bzw. mit nachziehbaren Stopps: läuft die Position stark in den Gewinn, zieht der Stop nach und verhindert, dass aus einem schönen Gewinn noch ein Verlust wird.

Das Risikomanagement ergibt sich schon aus der Natur des Zockens: wer große Gewinne will, muß eben auch bereit sein, einzusehen, wenn das Spiel verloren ist. Genau deshalb sollte man sich darüber im klaren sein, wieviel man bereit ist zu verlieren – und zwar bevor man den Zock eingeht! Denn gerade beim Zocken können die Verluste immens sein – das mit anderen Trades wieder aufzuholen, wird in der Regel sehr schwierig.

Wer zocken will, sollte sich zunächst einmal mit dem Forum WallStreetBets vertraut machen. Welche Werte werden gehypt – und mit welcher Begründung? Wer dann aktiv werden will und bei einem deutschen Broker Kunde ist, der kann sich über die „meistgesuchten“ Aktien bei Lang&Schwarz informieren – denn hier sind die deutschen Zocker über Broker wie Trade Republic am Start: was hier gehypt wird, ist auch auf WallStreetBets „hot“. Das deutsche Pendant zu WallStreetBets nennt sich übrigens etwas sperrig „Mauerstrassenwetten“.

Auch dort findet sich die Generation im Alter von 18 bis 30 Jahren, die letzlich nichts anderes kennt als „Blase“: Aktienmärkte steigen immer, stocks always go up, so das Mantra. Man könnte auch von einer Art Notenbanken-Religion sprechen: es gibt keine Risiken mehr, weil die Notenbanken dafür sorgen, dass es sie nicht mehr gibt. Wir werden alle reich an der Börse, ganz sicher. Und noch funktioniert dieses Spiel ja – aber die Geschichte lehrt, dass solche Situationen nicht ewig dauern (können).

Grundsätzlich gilt nämlich: an der Börse gewinnt niemals die Mehrheit – sonst wäre es eben nicht die Börse!

Zum Autor: Markus Fugmann studierte Geschichte und Kulturwissenschaften und publizierte über jüdische Geschichte und Nationalsozialismus. Schon in seiner Studienzeit entwickelte er eine Leidenschaft für die Börse und ist seitdem an den Finanzmärkten aktiv. Ab 2010 war er Chefanalyst der actior AG, ab 2013 dann Chefredakteur und Mitbegründer von www.finanzmarktwelt.de. Herr Fugmann tritt regelmäßig als Vortragsredner auf und ist als Publizist auf zahlreichen Finanzportalen aktiv. Er versteht sich dabei als „Chronist der Zeit“, der die Wechselwirkungen und Verflechtungen zwischen Finanzmärkten, Politik und Wirtschaft in den beiden Formaten „Videoausblick“ und „Marktgeflüster“ versucht stringent auf den Punkt zu bringen. Im Vordergrund steht dabei für ihn die Frage, was unsere Welt „im Innersten zusammenhält“ – mithin also der Widerspruch zwischen dem „Schein“ der Finanzmärkte und dem „Sein“ der Realwirtschaft.

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